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Erbengemeinschaft als Schicksalsgemeinschaft – warum Erben harte Arbeit sein kann

Wenn eine Erbschaft unter mehreren Personen aufgeteilt wird, spricht man von einer Erbengemeinschaft. Diese ist vom Gesetzgeber als zeitlich begrenzt gedacht. Warum kommt es so oft zu Streitigkeiten unter Erbenden?

Vier Personen unterhalten sich in einem Garten.

Das Aufteilen des Vermögens nach den testamentarischen Anweisungen des Erblassers ist nicht immer einfach. Was zunächst eindeutig erscheint, entpuppt sich häufig als schwierig umsetzbar. Das kann selbst die gutwilligste Erbengemeinschaft in jahrelange Auseinandersetzungen stürzen.


Die Erbengemeinschaft – Aufgaben, Ziele und Probleme

Das Hauptziel einer Erbengemeinschaft ist es, das Erbe entsprechend zu verteilen, also aufzulösen. Dabei wird das Vermögen, einschließlich Geld, Sachwerten oder Immobilien, nach den Anweisungen im Testament verteilt.

In einer Erbengemeinschaft besteht das Problem der Einstimmigkeit. Das bedeutet, dass alle Erben bei jeder Entscheidung einverstanden sein müssen, unabhängig von der Größe ihres Erbanteils. Diese Gleichheit in der Entscheidungsfindung kann Konflikte verursachen. Wenn nur eine Person nicht zustimmt, kann sie den Prozess der Verteilung blockieren, auch wenn ihr Anteil am Erbe sehr klein ist. Das kann zu Verzögerungen auf unbestimmte Zeit bei der Verteilung des Erbes führen. Es ist also eine heikle Situation, in der selbst Erben mit einem kleinen Anteil große Macht haben und den Prozess erheblich behindern können.

Teilungsreife: Voraussetzung zur Aufteilung des Erbes

Die unabdingbare Voraussetzung zur finalen Auseinandersetzung des Erbes ist zunächst die Teilungsreife. Bevor das Erbe aufgeteilt werden kann, müssen alle Schulden und Verpflichtungen des Verstorbenen geklärt sein. Alle Mitglieder der Erbengemeinschaft müssen daran arbeiten, diesen Zustand zu erreichen. Diese sogenannten Nachlassverpflichtungen können folgende sein:

  • Übernahme von Bestattungskosten
  • Zahlung und je nach Entscheidung Kündigung laufender Verträge, etwa Zeitungsabonnements, Versicherungen oder Verträge mit Energieversorgern
  • Begleichung von Schulden

Es empfiehlt sich, die Abarbeitung der Nachlassverpflichtungen in eine Hand innerhalb der Erbengemeinschaft zu legen. Diese Person ist per Gesetz wiederum auskunftspflichtig gegenüber den anderen Erben: Was ist schon bezahlt worden, was ist noch offen? Denn alle Rechnungen werden, soweit möglich, aus der Erbmasse bezahlt.

Benötigt man als Erbe einen Erbschein?

Um den Nachlass eines Verstorbenen rechtmäßig zu erhalten, ist in den meisten Fällen ein gültiger Erbschein nötig. Das Beantragen dieses Scheins kann Zeit, Geld und Nerven kosten. Das lässt sich aber bei kluger Vorausplanung umgehen: Wer als Erblasser sein Vermögen auf verschiedene Erben verteilt, tut diesen den größten Gefallen, wenn er ein notarielles Testament mit Unterstützung eines Nachlassverwalters erstellt. Das spart den Hinterbliebenen Zeit und Mühe, denn in diesem Fall muss die Erbengemeinschaft keinen Erbschein beantragen.

Wenn es kein solches Testament gibt, müssen alle Erben gemeinsam einen Erbschein beim Amtsgericht beantragen. Dabei ist das Gericht desjenigen Ortes zuständig, an dem er Erblasser zuletzt gemeldet war. Aufgrund der hohen Auslastung dieser Stellen können hier lange Wartezeiten entstehen, was die Verteilung des Erbes verzögern kann.

Was kostet ein Erbschein?

Für die Ausstellung eines Erbscheins fallen Gebühren an, die an das Nachlassgericht gehen. Der zu zahlende Betrag hängt vom Gesamtwert des Erbes ab und wird von der Erbengemeinschaft gemeinsam getragen. Je höher der Wert des Nachlasses ist, desto teurer ist der Erbschein.

Die folgende Tabelle stellt dar, welche Gebühren bis zu welchem Wert einer Erbschaft anfallen. Die tatsächlich zu zahlenden Kosten beinhalten den Betrag für eine eidesstattliche Versicherung – ihre Höhe entspricht der Höhe der Erbschein-Gebühr.


Tabelle: Gebühren Erbschein


Tabelle über die Gebühren und Gesamtkosten für einen Erbschein. Quelle: Anlage 2 GNotKG - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

 

Möglich sind außerdem zusätzliche Kosten für Auslagen (etwa Material- und Versandkosten), die jedoch in den meisten Fällen unter 20 Euro liegen. Möchten sich nicht alle Mitglieder der Erbengemeinschaft einen Erbschein ausstellen lassen, können auch Teilerbscheine ausgestellt werden. Die Gebühren für den Teilerbschein hängen dabei von der Höhe des Teilerbes ab.

 

Wenn nicht alle zustimmen: Anfechtung eines Testaments

Bei der Aufteilung eines Erbes kommt es nicht selten zu Unstimmigkeiten über die Aussagekraft des Testaments. Aus vielfältigen Gründen kann ein Testament von einzelnen Mitgliedern der Erbengemeinschaft daher angefochten werden. Häufig wird dabei Testierfähigkeit des Erblassers infrage gestellt – also die Fähigkeit, ein wirksames Testament zu errichten. Schon der geringste Hinweis auf mangelnde geistige Kräfte zum Zeitpunkt der Testamentsformulierung reichen als Grund aus, um die Gültigkeit eines Testaments anzuzweifeln. Dabei versuchen die anfechtenden Personen vor Gericht, den letzten Willen als unwirksam erklären zu lassen oder den ihnen vermeintlich zustehenden Erbteil zu erstreiten.

Eine Anfechtung passiert überdurchschnittlich häufig, wenn das Testament in den letzten Lebensjahren zugunsten einer Haushälterin, eines Pflegers oder anderen Personen geändert wurde, die intensiven Kontakt zum Erblasser hatten und so möglicherweise auf Formulierungen im Testament Einfluss nehmen konnten. Es reicht allerdings schon, wenn das Testament einen Rechenfehler aufweist. Dann kann das Amtsgericht auch Zeugen laden, die dazu befragt werden, wie der Erblasser das Testament gemeint haben könnte: Ist es nur ein Rechenfehler oder sollte etwa eine weitere Person begünstigt werden, die nicht erwähnt worden ist? Die entsprechenden Untersuchungen der Umstände können viel Zeit in Anspruch nehmen – Wochen oder gar Monate sind keine Seltenheit.

Erbschein ist ausgestellt – und dann?

Sind alle Unklarheiten ausgeräumt, stellt das zuständige Amtsgericht den Erbschein aus. Der rechtliche Anspruch auf das Erbe ist damit amtlich. Der Schein allein berechtigt zur Verwaltung des Nachlasses und letztlich zum Antritt des Erbes. Er verpflichtet die Mitglieder der Erbengemeinschaft allerdings nicht, der finalen Auseinandersetzung unverzüglich zuzustimmen. So kann sich die endgültige Aufteilung des Erbes weiter verzögern, wenn ein Mitglied der Erbengemeinschaft etwa auf einer Weltreise und damit schwer erreichbar ist.

Erbauseinandersetzungsklage als letztes Mittel

Wenn es Unstimmigkeiten und verhärtete Fronten in einer Erbengemeinschaft gibt, muss irgendwie eine Lösung gefunden werden. Eine Möglichkeit hierfür ist die Erbauseinandersetzungsklage. Fachanwälte sehen sie allerdings nur als Ultima Ratio. Bevorzugt wird in der Regel eine einvernehmliche Auseinandersetzung, auch unter Zuhilfenahme einer professionellen Mediation. Aus gutem Grund: Der Ausgang einer solchen Klage ist nicht gewiss – die unterlegene Partei muss dann für Prozess- und Anwaltskosten aufkommen.

Außerdem ist der Weg der Erbauseinandersetzungsklage mitunter schwierig:  Schon kleine Formfehler in der Klageschrift können zu einer Abweisung der Klage führen. So etwas kann im schlimmsten Fall einen beträchtlichen Anteil am Erbe selbst kosten. Auch ist die Dauer eines solchen Verfahrens nur schwer voraussehbar. Wenn Mitglieder der Erbengemeinschaft es darauf anlegen, kann sich die Einigung über die Erbschaft lange hinziehen.

Erbengemeinschaft und Erbschaftssteuer

In Deutschland müssen Erbschaften versteuert werden. Wenn mehrere Personen gemeinsam erben, stellt sich die Frage, wer die Erbschaftssteuer zahlt und wie genau das vonstattengeht. Die Antwort: Jeder Miterbe ist einzeln steuerpflichtig, die Erbengemeinschaft in ihrer Gesamtheit schuldet dem Staat keine Erbschaftssteuer. Ihre Höhe richtet sich hauptsächlich nach dem steuerlichen Wert des Nachlasses, der Erbquoten und den persönlichen Freibeträgen.

Problematisch für viele Erben ist es, dass das Finanzamt die Erbschaftssteuern bereits dann einfordern kann, sobald der Anspruch auf das Erbe besteht – nicht erst, wenn das Geld auf dem Konto ist.  Und dieser Anspruch beginnt dann, wenn ein gültiger Erbschein vorliegt.  Wer den Betrag für die Erbschaftssteuer nicht aufbringen kann, dem wird – in der Realität allerdings nur in wenigen Fällen – eine Stundung, also ein Aufschub der Zahlung gewährt.

Die Möglichkeit der Teilauseinandersetzung

Einen Ausweg bietet in so einem Fall die Teilauseinandersetzung: Mit Zustimmung der Erbengemeinschaft kann zumindest die Steuerschuld vorab aus dem Erbe freigegeben und an das Finanzamt abgeführt werden. Ein rechtlicher Anspruch auf Teilauseinandersetzung besteht aber nicht. Außerdem reicht bereits der Widerspruch eines Miterben aus, um das Verfahren der Teilauseinandersetzung rechtswirksam zu verhindern.

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